Nahtoderfahrungen wirklicher als die Wirklichkeit?

Nahtoderfahrungen wirklicher als die Wirklichkeit?

Obwohl Nahtoderfahrungen (Wahrnehmungen unterschiedlichster Art, die bei Menschen in todesnahen Situationen oder bspw. im Koma vorkommen können) nicht direkt mit Hypnose in Zusammenhang stehen, sind sie immer wieder ein interessantes Diskussionsthema, wenn Hypnotiseure aufeinander treffen.

  • Ähneln sie bestimmten hypnotischen Trance-Zuständen (z.B. Trancen, wie sie bei Rückführungen im Rahmen einer Reinkarnationstherapie vorkommen können)?

  • Handelt es sich um Wahrnehmungen, wie man sie auch in sehr realistischen hypnoanalytischen Sitzungen beobachten kann?

  • Kann man Nahtoderlebnisse mit Hilfe von Hypnose erforschen, indem man den Klienten in Trance noch einmal zu einem solchen Erlebnis hinführt?

  • Kann man solche Phänomene gar künstlich erzeugen?

Um es gleich vorweg zu sagen: Eine eindeutige Antwort auf diese Fragen gibt es hier bisher nicht und möglicherweise wird es sie auch schon aufgrund des Wesens der Materie ansich niemals geben, da der Mensch manche Dinge vielleicht niemals ganz zu Ende erforschen können wird (oder soll...).

Dennoch gibt es immer wieder interessante Forschungen zu diesem Thema.

Forscher der Lütticher Universität haben vor kurzem nachgewiesen, dass durch ein Nahtod-Erlebnis ausgelöste physiologische Mechanismen zu einer lebhafteren Wahrnehmung nicht nur von imaginären Inhalten sondern auch von realen Inhalten aus dem Leben eines Einzelnen, führen! Dieses überraschende Ergebnis unter Verwendung einer ungewöhnlichen Methode, die nun weiter untersucht werden muss ist nun im März 2013 im Magazin Plos One erschienen.

Ein helles Licht sehen, durch einen Tunnel gehen, das Gefühl, in eine andere Realität einzutreten oder seinen eigenen Körper zu verlassen sind bekannte Empfindungen bei einem komplexen Thema der Nahtod-Erfahrung.

Sind es Hirngespinste? Physiologische Abwehrmechanismen? Halluzinationen? Diese Phänomene sind vielfältig in den Medien dokumentiert und haben eine Vielzahl an Spekulationen und Theorien ausgelöst. Genau genommen sind diese Erfahrungen sehr schwierig zu erfassen, da sie in chaotischen Bedingungen vorkommen, die eine wissenschaftliche Herangehensweise schier unmöglich machen. Die Forscher der Lütticher Universität haben daher einen ganz anderen Ansatz versucht.

Ein Team von Forschern aus der Koma-Forschungsgruppe (unter Steven Laureys) und der Forschungsgruppe Kognitive Psychologie der Lütticher Universität (unter Professor Serge Brédart und Hedwige Dehon) haben sich die Erinnerungen an Nahtod-Erfahrungen unter der Hypothese angesehen, dass wenn die Erinnerungen reine Produkte der Fantasie seien, die phänomenologischen Charakteristika (wie zum Beispiel sensorische, selbst reflektierende und emotionale Details) näher bei phantastischen Inhalten liegen, umgekehrt aber, wenn die Nahtod-Erfahrungen realistisch wären, die Charakteristika der Inhalte viel näher an den Erinnerungen von realen Erlebnissen lägen.

Die Forscher verglichen die Antworten von drei Gruppen von Patienten, von denen jeder auf unterschiedliche Weise ein Koma überlebt hatte, und eine Gruppe von gesunden Probanden.
Sie untersuchten die Erinnerungen an die Nahtod-Erfahrung im Vergleich zu Erinnerungen an reale Ereignisse sowie Phantasie-Inhalte mit Hilfe eines Fragebogens, mit dem die phänomenologischen Eigenschaften der Erinnerungen ausgewertet werden konnten.

Die Ergebnisse waren überraschend. Aus dieser Perspektive betrachtet, waren die Nahtod-Erfahrungen nicht nur nicht vergleichbar mit den Erinnerungen an imaginäre Ereignisse, sondern trugen die phänomenologische Charakteristika Erinnerungen an reale Ereignisse (z. B. Erinnerungen an sinnliche Details) in sich und das sogar noch intensiver bei Erinnerungen an die Nahtod-Erfahrung als bei der Erinnerungen an reale Ereignisse.

Das Gehirn wird, wenn solche Phänomene auftreten, ins Chaos gestürzt. Physiologische und pharmakologische Mechanismen sind vollständig gestört, verstärken sich oder werden auch verringert.

Einige Studien haben bereits eine physiologische Theorien für bestimmte Phänomene der Nahtod-Erfahrung gegeben, wie bspw. die Erklärung für das Erlebnis, sich außerhalb seines Körpers zu bewegen, durch Störungen der Temporallappen erklärt werden könnten (durch die Stimulation des Temporallappens während Gehirnoperationen mit Schwachstrom konnten Außerkörperliche Erfahrungen "auf Knopfdruck" ausgelöst werden, was einige Forscher zur Vermutung kommen lässt, dass hier auch im Rahmen von Nahtoderfahrungen ein Zusammenhang bestehen könnte).

Die Mechanismen, die für die Erinnerung an eine Nahtoderfahrung als scheinbar reales Ereignis verantwortlich sind auch unsere Alltags-Wahrnehmung in Realität umwandeln könnten (etwas im Gehirn muss ja reale Erinnerungen an die Erinnerungen an Fantasien trennen, da ansonsten eine Unterscheidung von Fantasie und Realität kaum möglich wäre). Die Verfasser der Studie aus Belgien gehen davon aus, dass diese Mechanismen auch in der Lage sind, Erinnerungen zu erzeugen, die für uns so real erscheinen, als hätten wir sie tatsächlich erlebt, obwohl es sich tatsächlich um traum-artige Wahrnehmung (evtl. unter dem Einfluss typischer physiologischer Vorgänge, die bei Komapatienten vorkommen können) handelt.

Bei Patienten, bei denen eine Störung in der Unterscheidungsfähigkeit von Realität und Fantasie vorliegt wie bspw. bei bestimmten Schizophrenie- und Narkolepsiepatienten sind ebenfalls häufig Störungen in der Funktion der Temporallappen festzustellen.

Da Ereignisse wie eine Nahtod-Erfahrung zudem als besonders überraschend und vor allem unter einer emotionalen und persönlichen Perspektive als wichtig eingestuft werden, nimmt sie das Gehirn auch "besonders ernst", deshalb sind die Erinnerung an dieses Ereignis häufig äußerst detailliert, präzise und langlebig.

Zahlreiche Studien haben sich wie gesagt schon mit den physiologischen Mechanismen der Nahtod-Erfahrung und der Produktion solcher Phänomene durch das Gehirn beschäftigt. Einzeln betrachtet können diese Theorien und jene psychologische Betrachtungsweise das Phänomen in seiner Gesamtheit nicht erklären. Diese Studie, erhebt auch keinen Anspruch auf eine eindeutige Erklärung für die Nahtod-Erfahrung, aber sie trägt dazu bei, andere Aspekte zu berücksichtigen und psychologische Phänomene als weiteren Faktor in diesem Zusammenhang mit zu untersuchen nicht nur die physiologischen Phänomene zu fokussieren.

Anhänger der Theorie, dass Nahtoderlebnisse eine mystische Grenzerfahrung mit realem Inhalt sind, werden nun Argumente anführen wie "Wie kann es sein, dass die Patienten im Anschluss von verifizierbaren Außersinnlichen Wahrnehmungen (z.B. Hellsichtigkeitsphänomenen) berichten?" oder "Wie kann es sein, dass solche Mechanismen auch bei unterkühlten Patienten mit 18 Körpertemperatur vorkamen, bei denen die Temporallappen nicht mehr messbar aktiv waren?", während Anhänger der These, dass Nahtoderfahrungen ein reines Produkt der Phantasie im Zusammenhang mit situationstypischen Fehlleistungen des Gehirns sind sich in ihrer Meinung bestätigt fühlen werden.

Fact ist: Es kann noch immer nicht erklärt werden, was genau Nahtoderfahrungen sind, was von ihnen zu halten ist und inwiefern bestimmte Erfahrungen in hypnotischer Trance mit ihnen vergleichbar sind - die Diskussionen und die Erforschung der Materie bleibt also spannend! :-)

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