Alkoholkonsum bei Rauchentwöhungsklienten
Alkoholkonsum bei Rauchentwöhnungs-Klienten
Welche Rolle spielt der Alkoholkonsum von Klienten bei der Rauchentwöhnung?
Die Rauchentwöhnung mit Hypnose ist in vielen Hypnose-Praxen eine der wirtschaftlich wichtigsten Hypnose-Anwendungen.
Sie genießt einen guten Ruf und einen hohen Bekanntheitsgrad.
Für Praxen, die die Rauchentwöhnung mit Hypnose anbieten ist es deshalb wichtig, dem guten Ruf der Anwendung gerecht zu werden, um sich auch als Praxis einen guten Ruf aufzubauen. Der Schlüssel hierfür ist selbstverständlich eine hohe Erfolgsquote.
Die meisten Hypnotiseure und Hypnosetherapeuten sind deshalb immer daran interessiert, ihre Rauchentwöhnungs-Strategien noch weiter zu optimieren bzw. Störfaktoren zu identifizieren, die ihre praxisinterne Erfolgsquote mindern könnten, um diese dann entweder zu vermeiden (bspw. uneinsichtige Klienten ablehnen, die trotz Aufklärung nicht bereit sind, bei der Rauchtentwöhnung mitzuarbeiten und ankündigen, dass sie bewusst versuchen werden, wieder zu rauchen um zu testen, ob die Hypnose "mächtig" genug ist), oder um Strategien für einen optimalen Umgang mit ihnen (z.B. Aufklärung, Anker, ergänzende verhaltenstherapeutische Interventionen) zu entwerfen.
Das TherMedius -Institut engagiert sich schon seit langem in der Erforschung und Weiterentwicklung der hypnotischen Rauchentwöhnung und hat dabei viel erreicht. Die Erfahrung mit der Anwendung, das Feedback von tausenden von Absolventen, die praktisch damit arbeiten und die kontinuierliche Weiterentwicklung der Entwöhnungsmodelle (das von TherMedius entwickelte und gelehrte Modell gehört zu den erfolgreichsten überhaupt) haben dafür gesorgt, dass die Rauchentwöhnung sich mittlerweile in phantastischen Erfolgsquoten-Regionen (in manchen Praxen um die 80% und höher) bewegt.
Dennoch gibt es auch immer wieder Klienten, bei denen die Rauchentwöhnung nicht wie gewünscht anschlägt. Das Ziel der Hypnose-Forschung liegt natürlich darin, Wege zu finden, wie auch diesen Klienten geholfen werden kann bzw. herauszufinden, warum bei genau diesen Klienten die Wirkung anders ist als bei anderen Klienten.
Ein wichtiger Faktor könnte hier der Alkoholkonsum sein.
Eine ganze Reihe von Studien erbrachte bereits deutliche Hinweise, dass das Trink- und Rauchverhalten statistisch in einem engen Zusammenhang stehen.
Das heißt ein deutlich höherer Prozentsatz der Raucher hat einen (problematisch) hohen Alkhoholkonsum als Nichtraucher.
Das heißt selbstverständlich nicht, dass alle Raucher einen überdurchschnittlichen Alkhoholkonsum haben, aber die Wahrscheinlichkeit, unter 10 Rauchern eine Person zu finden, die einen als problematisch einzustufenden Alkoholkonsum hat ist deutlich höher als bei 10 Nichtrauchern.
Schon seit Längerem beobachten wir einen erhöhten Anteil von Klienten mit Alkoholproblemen unter den Rauchentwöhungsklienten im Vergleich zu anderen Behandlungsthemen und erhalten auch von unseren Absolventen immer wieder entsprechende Rückmeldungen.
Allgemein scheint der durchschnittliche Alkoholkonsum unter den Rauchentwöhnungsklienten erhöht zu sein.
Eine neue Studie der New York State Smokers Quitline (NYSSQL) brachte nun Ergebnisse, die durchaus auch für die Hypnose-Branche interessant sein könnten.
Studie der NYSSQL
Eine erstmals in dieser Form durchgeführte Studie der New York State Smokers Quitline (NYSSQL) , einer Rauchentwöhnungs-Telefonberatung, wie sie in Deutschland auch bspw. von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung angeboten wird, zeigte, dass ein hoher Anteil der anrufenden Raucher auf einem problematischen Level trank und es diesen Rauchern mit hohem Alkoholkonsum schwerer fiel, mit dem Rauchen aufzuhören (!) als anderen Rauchern mit einem gemäßigteren Trinkverhalten.
"Rauchentwöhnungs-Telefonberatungen bieten eine telefonische Behandlung für Raucher, die Unterstützung beim Aufhören möchten an", erklärt Benjamin A. Toll, Assistenzprofessor für Psychiatrie an der Universität Yale.
"Alle Rauchentwöhnungs-Hotlines (in den USA) bieten Beratung und Selbsthilfe-Materialien an. Ungefähr 75% der Rauchentwöhnungs-Hotlines (in den USA) bieten auch kostenlose Medikamente (Probepackungen mit Nikotinpflastern o.ä.) an."
"Rauchentwöhnungs-Hotlines haben eine breite Reichweite und bedienen jährlich etwa eine halbe Million Raucher in den USA. Sie erreichen auch Bevölkerungsschichten, die ansonsten schwerer mit Gesundheitsprogrammen erreichbar wären", ergänz Christopher Kahler, Professor für Verhaltens- und Sozialforschung am Zentrum für Alkohol- und Suchtstudien der Brown Univeristät.
"Die Rauchentwöhnungs-Hotlines sind eine bemerkenswerte Erfolgs-Story in der Übertragung erprobter Behandlungsmethoden auf neue Formate mit anschließender großflächiger Verbreitung."
Die NYSSQL erhielt in 2010 über 100.000 telefonische Anfragen und ist damit eine der größten Rauchentwöhnungs-Hotlines in Amerika.
Professor Toll erhob Daten über problematisches Trinkverhalten von 88.479 Anrufern (davon 53,2% weiblich) und nutzte dafür modifizierte Richtlinien des National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism (Staatliches Institut für Alkoholmissbrauch und Alkoholismus). Die Autoren der Studie sammelten zusätzlich Daten im Rahmen zweier Routine-Follow-Up-Interwiews (Anschluss-Interviews zur Überprüfung der Ergebnisse der telefonischen Beratung) mit einmal 14.123 und einmal 24.579 befragen Personen und einem weiteren Follow-Up-Interview nach 3 Monaten mit 2833 Personen, um die Erfolgsquoten von Anrufern, die den Kriterien für ein problematisches Trinkverhalten entsprachen mit Anrufern mit einem moderaten Trinkverhalten bzw. Anrufern, die gar nicht tranken zu vergleichen.
"Eine unserer auffälligsten Erkenntnisse war, dass in einer großen Gruppe von Rauchern mit fast 90.000 befragten Personen ein relativ hoher Anteil von fast 23% auf einem von der Regierung als problematisch eingestuften Level trank. Dies ist die erste Studie, die den Anteil problematischer Trinker unter den Anrufern einer Rauchentwöhnungs-Hotline untersucht hat."
"In anderen Worten zeigt diese Studie, dass bei fast einem von vier Rauchentwöhnungs-Hotline-Anrufern ein problematisches Trinkverhalten besteht."
Die Leiter der Studie waren vom hohen Anteil problematischer Trinker nicht überrascht, erklärten aber, dass verschiedene Ursachen zu diesem Sachverhalt führen.
"Es gibt viele Einflussfaktoren", so Kahler. "Erstens haben diejenigen, die stärker trinken zumeist ungeordnetere Leben und mehr psychologische Stressoren. Sie haben oft eine erhöhte Dichte an Rauchern in ihrem sozialen Umfeld. Letztenendes kann das Trinken von Alkohol zum Verlangen, zu rauchen führen und starkes trinken kann es schwierig machen, das Rauchen während eines Entwöhnungsversuchs zu unterlassen. Frühere Forschungen haben gezeigt, dass starke Trinker zumeist vergleichbar stark motiviert sind, mit dem Rauchen aufzuhören wie moderate Trinker".
Toll und Kahler empfehlen, dass Rauchentwöhnungs-Telefonberatungshotlines ein Beratungsmodul für stärkere Alkoholkonsumenten in ihr Angebot aufnehmen sollten, das die Rauchentwöhnung mit einer Verhaltenstherapeutischen Arbeit mit dem Ziel, das Trinkverhalten zu ändern kombiniert.
Zudem sehen sie hier auch Möglichkeiten, über Rauchentwöhnungs-Hotlines Menschen mit Alkohol-Problemen zu erreichen und ihnen bei der Alkoholentwöhnung zu helfen bzw. sie zu einer Alkoholentwöhnung zu motivieren.
(Die Studie wurde veröffentlicht in der Zeitschrift Alcoholism: Clinical & Experimental Research)
Bedeutung der Studie für Hypnose-Praxen
Eine wichtige Erkenntnis der NYSSQL-Studie ist: Klienten mit erhöhtem Alkoholkonsum fällt es schwerer, das Rauchen aufzugeben.
Es liegt noch keine Studie zum durchschnittlichen Trinkverhalten von Klienten, die sich wegen einer Rauchentwöhnung an Hypnose-Praxen wenden vor und es kann nicht wissenschaftlich fundierter Sicherheit gesagt werden ob die Quoten von Interessenten an Rauchentwöhnungen in Hypnose-Praxen ähnlich hoch sind oder ob der hohe prozentuale Anteil an entwöhnungswilligen Interessenten ein Telefonhotline-spezifisches Phänomen ist (Prof. Kahler wird im oben stehenden Bericht über die NYSSQL-Studie ja bereits zitiert, dass mit Hilfe der Hotlines auch Bevölkerungsschichten erreicht werden können, die ansonsten mit Gesundheitsprogrammen nur schwer zu erreichen sind und dies könnte bedeuten, dass die Anrufer, die bei einer Rauchentwöhnungs-Telefonhotline anrufen sich anders zusammensetzen als Klienten, die sich an eine Hypnose-Praxis wenden).
Jedoch empfiehlt es sich, die NYSSQL-Studie im Zusammenhang mit den Beobachtungen aus unseren Praxen sowie den Berichten unserer Absolventen zum Thema Alkohol in Zusammenhang mit der Rauchentwöhnung zum Anlass zu nehmen, zukünftig verstärkt auf den Alkoholkonsum von Rauchentwöhnungs-Klienten zu achten und sie gezielter zu ihm zu befragen.
Denn wenn sich die Quote der Klienten, die ein problematisches Trinkverhalten hat bei den Klienten der hypnotischen Rauchentwöhnung in einer ähnlichen Größenordnung bewegt wie bei den Anrufern der o.g. Rauchentwöhnungs-Hotlines, was durchaus denkbar ist, heißt das auch, dass 1/4 der Klienten, die zu einer Rauchentwöhnungs-Hypnose kommen erschwerte Entwöhnungsbedingungen haben und eine reguläre Rauchentwöhnung auch unter Einbezug aller gängigen Ressourcen und Anker evtl. gar nicht für sie geeignet ist, da sie eine noch intensivere Behandlung (evtl. eine Entwöhnungstherapie, die den Alkohol gleich mit einbezieht oder aber zuerst eine Alkoholentwöhnung) benötigen und eine Rauchentwöhnung zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht sogar gar nicht anzuraten ist.
Warum erschwert Alkohol die Entwöhnung?
Laien denken oft, eine hypnotischer Rauchentwöhnung sei wie ein "Befehl", der dem Klienten "verbietet", zukünftig jemals wieder zu rauchen.
Tatsächlich ist die hypnotische Rauchentwöhnung in ihrer klassischen Form als Kurzzeitbehandlung (1-3 Sitzungen) aber vor allem eine Ausstiegshilfe, die den Klienten dabei unterstützt, ohne Zigarette leben zu können indem sie die Entzugserscheinungen mindert und den Entwöhnungswillen stärkt. Je nach Klient muss noch ein unterschiedlich hohes Maß an Eigeninitiative zur Abstinenzerhaltung aufgebracht werden.
Die Rauchentwöhnung ist also kein Freibrief, der dem Klienten garantiert, sich ohne jegliche Eigeninitiative in Bezug auf die Erhaltung der Abstinenz in Situationen, die er zuvor am meisten mit dem Rauchen assoziiert hat oder gar in Rauschzustände begeben zu können und dabei rauchfrei zu bleiben.
Der Konsum von Alkohol erschwert die Entwöhnung bzw. den Erhalt der im Anschluss an eine erfolgreiche Entwöhnung erreichten Abstinenz u.a. aus folgenden Gründen:
Der Konsum von Alkohol senkt die Hemmschwelle. Unter Alkoholeinfluss sagt ein Ex-Raucher leichter "Komm, gib mir mal eine!" als nüchtern. Unter Alkoholeinfluss ist leichtsinniges / draufgängerisches Verhalten nichts ungewöhnliches. Es besteht also ein erhöhtes Risiko, dass ein entwöhnter Raucher hier rückfällig wird.
Unter Alkoholeinfluss wird der Mensch manipulierbarer. Er ist anfälliger für die Versuche von mit ihm trinkenden Rauchern, ihn rückfällig zu machen ("Komm, rauch doch eine mit! Nur eine...!").
Bereits kleine Mengen Alkohol verstärken die als positiv empfundenen Wirkungen von Nikotin - Unter Einfluss von Alkohol "schmeckt die Zigarette also noch besser". Das heißt, bei vielen Rauchern ist die Zigarette in Zusammenhang mit Alkohol als "besonders lecker" gespeichert und der Konsum von Alkohol ist eng mit der Zigarette assoziiert. Unter Alkohol riecht der Zigarettenrauch anderer für ehemalige Raucher auch deutlich "appetitlicher" als nüchtern. Gemeinsam mit der niedrigeren Hemmschwelle (s.o.) ergibt das ein erhöhtes Rückfallrisiko.
Nikotin senkt den Alkoholspiegel im Blut bzw. sorgt dafür, dass Alkohol langsamer ins Blut gelangt und schmälert so die berauschende Wirkung - In einer Studie zu diesem Thema wurde nachgewiesen, dass Nikotin die Abgabe von Alkohol vom Magen in den Blutkreislauf verzögert. Das heißt: Wer raucht verträgt mehr bzw. wer nicht mehr raucht verträgt nicht mehr so viel wie früher als er noch rauchte.
Empfehlungen für Hypnotiseure
Aus den vorhergegangenen Überlegungen ergeben sich folgende Empfehlungen für Hypnotiseure und Hypnosetherapeuten:
Achten Sie zukünftig bei Rauchentwöhnungsklienten (wenn Sie es nicht bereits tun) auf den Alkohol-Konsum und fragen Sie diesen im Rahmen der Anamnese gezielt ab
Klären Sie die Klienten in diesem Rahmen auf, dass korrekte Angaben von hoher Bedeutung sind und dass ihr Alkoholkonsum einen Einfluss auf den Verlauf ihrer Rauchentwöhnung bzw. auch auf die Vorgehensweise des Therapeuten haben kann
Machen Sie deutlich, dass die Hypnose dabei hilft, von der Zigarette loszukommen, dass sie den Klienten aber nicht gegen alle erdenklichen Einflüsse "imprägniert" und er deshalb nicht erwarten kann, dass es egal ist, wie er sich im Anschluss an die Rauchentwöhnung verhält
Klären Sie die Klienten auf, dass der Konsum von Alkohol ein erhöhtes Rückfallrisiko darstellt und sie möglichst in den ersten Wochen nach der Entwöhnung komplett auf Alkohol verzichten sollten
Empfehlen Sie Klienten, deren Trinkverhalten Sie als problematisch einstufen auf jedenfall eine entsprechende Alkohol-Entwöhnungstherapie!
Infos zur Alkoholkrankheit
Informationen zur Alkoholkrankheit, ihre Symptome und Indikatoren, dass sie bei einem Klienten vorliegen könnte finden Sie unter dem Begriff Alkoholkrankheit in unserem Psychotherapie-Lexikon.