Carpenter-Effekt
Carpenter-Effekt
Der Carpenter-Effekt (häufig auch als Ideomotorischer Effekt bezeichnet) beschreibt das Phänomen, dass das Beobachten sowie das Denken an eine bestimmte Bewegung im Gehirn eine Tendenz zur Ausführung eben dieser Bewegung auslösen kann.
Der Carpenter-Effekt ist neurowissenschaftlich bewiesen.
Man geht davon aus, dass diese Tendenz des Gehirns, Bewegungen nachzuahmen daher stammt, dass das Gehirn die Bewegungen anderer, aber auch die Vorstellung eigener Bewegungen möglichst realitätsnah innerlich abbildet, um einerseits das Verhalten bzw. die derzeitigen Empfindungen einer beobachteten Person nachzuahmen (hier geht es um die Analyse von Fragen wie "Was tut die Person als nächstes? Ist sie eine Gefahr für mich? Wie soll ich reagieren? usw.", also um klassische Fragen der sozialen Einschätzung) und andererseits um möglicherweise für sich selbst in Frage kommende Bewegungen "virtuell vor-zu prüfen", um festzustellen ob diese evtl. Gefahren oder negative Empfindungen enthalten.
Um eine möglichst realistische Einschätzung zu erhalten, nutzt das Gehirn für solche Simulationen die Areale, die bei einem echten Erleben einer beobachteten oder imaginierten Situation aktiv wären. Dies kann allerdings dazu führen, dass diese Areale, die in der "Simulation" eigentlich nur in geringem Maße (nur so viel, damit es für eine Beurteilung ausreicht) aktiv sein sollten je nach Intensität des Gedanken oder Veranlagung des Betroffenen so stimuliert werden, dass die jeweilige Bewegung in graduell unterschiedlich starker Form leicht (bei der Beobachtung eines Hochspringer hüpft der Beobachter leicht auf der Stelle, während der Springer abspringt) oder in manchen Fällen sogar komplett imitiert wird.
Einige Beispiele für ideomotorische Imitation von Bewegungsmustern im Alltag
Ein Zuschauer eines Boxkampfes "boxt in der Luft mit", indem er in die Luft schlägt
Ein Fersehzuschauer hält sich reflexartig den Bauch, als er sieht, wie einem Schauspieler in einer Action-Szene in den Bauch geschlagen wird
Ein Zahnarztpatient, der an seine morgige Behandlung denkt, hält sich reflexartig die Backe als ob er schon Schmerzen in Folge einer Behandlung hätte (Achtung, hier handelt es sich eigentlich nicht um die Nachahmung einer Bewegung sonder um eine Bewegung in Folge der Nachahmung eines Schmerzgefühls - dies fällt eigentlich mehr in den Bereich des Ideo-Realgesetz)
Ein Zuhörer beginnt, sich zu kratzen als ihm ein Bekannter vom schrecklichen Jucken der Mückenstiche in seinem Südamerika-Urlaub erzählt
Allgemeine Beobachtungen zum Carpenter-Effekt
Folgende Beobachtungen wurden im Zusammenhang mit dem Carpenter-Effekt gemacht:
Die Nachahmung ist zumeist stärker und intensiver, wenn der Beobachter bzw. derjenige, der an eine Bewegung denkt stark emotional involviert ist (Bsp: begeisterter Zuschauer eines Boxkampfes)
Trancezustände, aber auch Entspannungszustände können den Effekt deutlich intensivieren (vermutlich weil sie das Nervensystem von anderen "Störquellen" befreien und sich die Vorstellung wesentlich intensiver entfalten kann
Es gibt eine Art "individuelles Grundlevel", das jeder Mensch in Bezug auf den Carpenter-Effekt hat. Bei manchen Menschen ist er kaum experimentell zu beobachten, bei anderen ist er von Natur aus extrem ausgeprägt
Der Carpenter-Effekt hat nichts oder nur wenig mit "daran glauben" zu tun. Hierzu wurden schon unzählige Tests im hypnotischen Umfeld gemacht, die eindeutig bewiesen haben, dass der Glaube nahezu keinen Einfluss auf die Intensität des Carpenter-Effektes hat
Mit Training lässt sich die Intensität des Effektes verstärken (hier spielt sicherlich auch die Hebbsche Lernregel einer Rolle)
Die Intensität des Effektes lässt sich aber fast nicht abschwächen - Menschen, bei denen der Carpenter-Effekt sehr stark ausgeprägt ist, haben oft Probleme damit (z.B. weil sie Gewaltszenen im Fernsehen intensiv "mit-spüren"). Im Rahmen von Tests mit solchen Menschen hat sich gezeigt, dass zumeist weder Suggestionen, noch rationale Herangehensweisen ("Ich weiß, dass die im Fernsehen sich nicht wirklich weh tun") noch Training nennenswert helfen. Zumeist ist nur die Vermeidung entsprechender Szenen empfehlbar
Der Carpenter-Effekt lässt sich durch Suggestionen verstärken und intensivieren
Der Carpenter-Effekt lässt sich situationsbezogen bis zu einem gewissen Maß willentlich unterdrücken bzw. mindern (z.B. so dass mit bloßem Auge keine Nachahmungsreaktion mehr erkennbar ist). Allerdings ist die Fähigkeit, den Carpenter-Effekt zu unterdrücken davon abhängig, wie stark der Effekt beim jeweiligen Menschen von Natur aus veranlagt ist. Stärker veranlagte Probanden konnten den Effekt im Rahmen von Tests nicht einmal mit intensivster Willensanstrengung unterdrücken.
Carpenter-Effekt bezieht sich nur auf Bewegungen!
Zu beachten ist, dass der Carpenter-Effekt sich ausschließlich auf das unwillkürliche Nachahmen von Bewegungen oder das Umsetzen von Gedanken an Bewegungen in tatsächliche Bewegungen bezieht.
In der Hypnose weiß man, dass dieser Effekt aber weit über die innere Immitation von Bewegungen hinausgehen und auch Gefühle, Gedanken, Meinungen u.a. beinhalten kann.
Dieser Bereich ist allerdings wesentlich weniger "gesetzmäßig", enthält deutlich größere Schwankungsbreiten in Bezug auf seine Wirkung auf den Einzelnen und ist insgesamt deutlich schwerer zu beschreiben - vermutlich hat sich William Benjamin Carpenter (1813 1885), auf den der Carpenter-Effekt zurückgeht deshalb auf die wissenschaftlich wesentlich einfacher zusammenfassbare (und vor allem eindeutig beweisbare!) Nachahmung von Bewegungen beschränkt.
Die über den Carpenter-Effekt hinausgehenden Nachahmungseffekte wurden von Willy Hellpach im Ideo-Realgesetz beschrieben.
Carpenter-Effekt Erklärungsansatz für Pendeln & Co
Der Carpenter-Effekt wird häufig als Erklärungsansatz für unbewusste Bewegungen beim Pendeln, beim Ouija-Board oder beim Wünschelrutengehen herangezogen.
Hält man ein Pendel locker in der Hand und stellt man sich vor, dass es in einer bestimmten Richtung pendelt, dann folgt das Pende i.d.R. dieser Vorstellung und beginnt, sich in diese Richtung einzupendeln, auch wenn man es nicht bewusst mit der Hand zu beeinflussen versucht.
Der Carpenter-Effekt kann also die Schnittstelle sein, die die Bewegung der Hände bei solchen Praktiken erklärt. Er erklärt aber nicht, warum die Hände sich wie bewegen, wenn der Anwender bewusst keine Erwartungshaltung in Bezug auf eine bestimmte Bewegungsrichtung einnimmt. Hier kommen unbewusste Dynamiken ins Spiel, die dann wiederum andere Effekte mit einfließen lassen (lt. Anhängern dieser Praktiken unterbewusstes Wissen, unterbewusste Wahrnehmungen, Informationen aus dem morphogenetischen Feld u.a.).