MP3, Ear Fatigue und die Folgen
MP3, Ear Fatigue und die Folgen
Auch für Therapeuten können die Hörgewohnheiten ihrer Klienten von Bedeutung sein - können doch qualitativ schwache Wiedergabegeräte auch das Nervenkostüm und die Psyche belasten!
Vor einigen Jahren war HIFI noch eine richtige Wissenschaft.
Man war stolz auf eine edle Stereoanlage, Platten- und CD-Sammlungen wurden gehegt und gepflegt und für ein gutes paar Boxen war man auch bereit, ein Weilchen zu sparen...
Mittlerweile hat sich in diesem Bereich einiges verändert. Musik muss immer transportabler sein, auf platzsparende Speichermedien passen und am liebsten hätte man ein zentrales Gerät, das man überall einstöpseln kann und schon laufen die tagesaktuellen Charts auf und ab.
Wir entwickeln uns zunehmend zu einer musikalischen Wegwerfgesellschaft und auch die sinkenden Umsätze der Musikindustrie aufgrund illegaler Downloads und dem unerlaubten Kopieren von Liedern aller art ("Die CD brauchst Du Dir nicht kaufen, die hab ich schon - ich brenn sie Dir...") zeigt, dass die Konsumenten der Musik mit immer weniger Achtung begegnen. Das wirkt sich auch auf die Hörgewohnheiten aus. Ein für 12 € bei Ebay ersteigerter MP3-Player dient oft als Basis des auditiven Genusses und kaum jemand macht sich noch Gedanken, wie es dabei um die Qualität des Gehörten steht, denn es ist ja herrlich günstig und man kann es überall mit hin nehmen.
Die Momentane Entwicklung der Popmusik und der Geräte, auf denen sie gehört wird hat auch dafür gesorgt, dass die Qualität musikalischer Aufnahmen deutlich verändert hat. Da immer mehr Menschen Musik anstatt auf einer guten Stereoanlage auf Geräten mit physikalisch schlechter Klangqualität (mobile MP3-Player mit Ohrstöpseln, PC-Boxen und ähnliches) hören und die Musik zudem oft platzsparend komprimiert wird, wodurch weitere Nuancen verloren gehen, haben die Plattenfirmen nachgezogen und Produzieren Alben mittlerweile häufig in einer auf die aktuellen Gegebenheiten abgestimmten Form.
Das heißt, der Klang wird so verändert und aufgepeppt, dass er sich selbst auf einfachsten Geräten noch halbwegs gut anhört. Eine CD muss so gemacht sein, dass sie auf dem billigsten MP3-Player noch gut hörbar ist. Was sich im ersten Moment wie eine Verbesserung anhört, hat tatsächlich aber auch einige Nachteile. Man kann sich das so vorstellen: einfache PC-Boxen oder Ohrstöpsel haben oft Schwächen in bestimmten Frequenzbereichen - sie können die Bässe bspw. nicht sehr kraftvoll darstellen oder geben bestimmte Frequenzbereiche zu schwach wieder weil ihnen einfach der Resonanzraum fehlt. Das führt dazu, dass manche Aufnahmen sich auf solchen Wiedergabegeräten nicht wirklich gut anhören, weil sie in bestimmten Bereichen eben Lücken aufweisen. Gerade Musikaufnahmen mit feinen Nuancen und häufigen Wechseln zwischen lauten und leisen Passagen kommen auf qualitativ schwachen Wiedergabegeräten oft nicht richtig zur Geltung.
Um dieses Problem umgehen, haben viele Platten-Labels damit begonnen, Ihre Aufnahmen "aufzupeppen", indem sie die Frequenzen anpassen und schwächere Bereiche "lauter stellen". Insgesamt wird der Pegel der Aufnahme vereinheitlicht und alles was zu leise sein könnte wird hochgefahren. Das Ergebnis sind Aufnahmen, die sich aufs erste Hören ganz gut anhören, weil sie schön "voll klingen", die aber einen nahezu konstanten Pegel mit sich bringen, der mit der Zeit das Ohr ermüden lässt. Auch wenn er ganz leise gehört wird - denn für das Ohr ist das eine einheitliche Beschallung wie ein dauerhafter Summton, der einfach stört. Es hat zwischendurch kaum Zeit zur Erholung und stehe immer unter Belastung. Man nennt diesen Zustand auch "Ear Fatigue", also Ohr-Ermüdung.
Wenn das Ohr ermüdet, wirkt Musik mit der Zeit eher nervend als beschwingend und der Gedanke liegt nah, dass aufgrund dieser neuen Gepflogenheiten im Musikgeschäft die Musik mit der Zeit ihren (nachgewiesenen) heilsamen Charakter in Bezug auf die Psyche verliert und zu einer weiteren unerkannten Stressquelle im reizüberfluteten Alltag der Industrienationen wird. Denn wenn Musik das Ohr nervt, dann kostet sie Kraft anstatt neue zu geben.
Wozu das führen kann ist noch nicht erforscht. Von Schlafstörungen über Kopfschmerzen bis hin zu leicht depressiven Gefühlen ist alles denkbar. Es lohnt sich also, einmal darüber nachzudenken, inwiefern die Hörgewohnheiten einen Einfluss auf das eigene Befinden haben könnten und im Zweifel qualitativ wieder "aufzurüsten"...