Tapes - Über den Umgang mit endlichen Rohstoffen
Tapes - Über den Umgang mit endlichen Rohstoffen
Wer heute eine Musikkassette in den Händen hält, hält etwas in den Händen, das (bis auf extrem wenige Ausnahmen) nicht mehr produziert wird und vermutlich auf nie wieder in Serienproduktion gehen wird.
Wer heute ein edles Hifi-Tapedeck aus den 80ern besitzt oder online ersteigert, hat ein Stück High-Tech der Vergangenheit vor sich, das vermutlich auch nie wieder in vergleichbarer Form aufgelegt wird.
Als Anfang der 90er der Siegeszug der CD begann, waren viele so überzeugt von diesem neuen Medium, dass sie ihre alten Tapes und Tapedecks gerne opferten - makellose Klangqualität, keine Abnutzung, Titelwahl nach Lust und Laune, kein Spulen mehr, kein Kabelsalat, kein rauschender Lesekopf, kein Knistern beim Abspielen...
Wie wir heute wissen, lebten viele der frühen CD-Player nicht allzu lange (die Technik war teilweise anfällig und die Reparatur lohnte sich oft nicht, wenn mal etwas nicht mehr ging, da die nächste Generation schon in den Startlöchern stand) und auch viele CDs aus der "digitalen Anfangszeit" lassen sich heute nicht mehr richtig abspielen... Nichts desto trotz hat sich die CD bewährt. Und dennoch ist auch sie am Aussterben!
Mittlerweile regieren mp3, mobile Musik auf dem Smartphone und "Streaming", also das Abrufen von der Musik, die man gerade hören möchte - wann immer man möchte und wo immer man möchte.
Das alles ist deutlich komfortabler als eine Kassette!
Deshalb hat sie diesen Kampf auch verloren.
Aber dadurch ist sie auch in die Geschichte eingegangen!
Sie war die "selbstgebrannte CD" bevor es CDs gab. Sie war das Mixtape, das man für seine neue Flamme erstellt hat!
Sie war aber auch ein Kunstwerk - mancher erinnert sich vielleicht noch an den Aufwand, den die Tape-Hersteller betrieben haben, um ihre Produkte aufzuwerten.
Ein spezielles Design der Kassette selbst mit raffinierten Sichtfenstern, durch die das Band zu sehen war, komplett transparente Kassetten, Farbvariationen, elegante oder futuristische Hüllen - und das ganze beim Kauf noch umhüllt mit einer aufregend in poppigen Farben (oder auch betont dezent!) gestalteten Platikfolie, die zum Ausdruck bringen sollte, das auf dieser Kassette einmal beste Musik gespeichert sein wird, die mit größtem Genuss konsumiert werden kann!
Ja, das Produktdesign war ein wichtiges Thema!
Kassetten hatten eine genormte Größe, an die die Hersteller sich halten mussten, damit sie wirklich in jedem Player genutzt werden konnten. Ihre Hüllen waren ebenfalls weitestgehend genormt und der Hersteller tat gut daran (abgesehen von einigen minimalen "Slim Line"-Abweichungen) auch an ihnen nicht allzu viel zu verändern, wenn sie noch in genormte Kassetten-Regale passen sollten...
Das technische Innenleben der Kassette, die Bandführung, das Bandmaterial oder die Beschichtung des Bandes waren zwar von Bedeutung (und waren auch ausschlaggebende für teilweise saftige Preisunterschiede!), waren für den Nutzer aber nur bedingt "sichtbar".
Man musste sich also über die Optik oder besondere Materialien (wie bspw. den Kassettenkörper aus Keramik-Kunstoff-Kompositmaterial oder einen in die Kassette integrierten Alu-Rahmen) bemerkbar machen, entschied sich aber zumeist für die Optik.
Ein neuer Wert
Vor nicht allzu langer Zeit wurden Kassetten in vielen Fällen einfach "entsorgt".
Keiner wollte sie mehr (nicht einmal geschenkt), keiner brauchte sie mehr und verkaufen konnte man sie auch nicht. Nicht wenige landeten einfach auf dem Müll...
Doch heute, wo sie nicht mehr hergestellt werden und immer mehr Hifi-Fans erkennen, dass sie die "letzte Bastion" der Analogen Aufnahmemöglichkeiten sind, erhalten sie wieder einen neuen Wert.
Hochwertige Bänder (die vor 25 Jahren schon 20 Mark das Stück kosteten!) gehen heute teilweise für 50-100 Euro über den Online-Auktionshaustisch.
Selbst Kisten mit alten Kassetten, die im Keller gefunden wurden (und noch brauchbar sind) bringen oft 1 Euro pro Kassette (Tendenz steigend!).
Und jeder, der sich eine Design Edition mit Außenhülle von Piet Mondrian zulegt weiß: Es wird keine neuen davon geben. Was ich hier in der Hand halte ist eine von ohnehin nicht allzu vielen, von denen vermutlich schon der größte Teil unwiederbringlich in der Müllverbrennungsanlage geendet ist...
Dieses Wissen verleiht den guten alten Kassetten einen vollkommen neuen Wert!
Was vor ein paar Jahren noch "Müll" war, ist nun ein Gegenstand, den es zu bewahren gilt, bei dem man überlegt "soll ich ihn nutzen und bespielen oder doch lieber noch ein bißchen aufheben...".
Man muss abwägen: "Bespiele ich diese Kassette jetzt hiermit oder damit - ist das würdig um sie dafür zu verwenden?"
Öffnet man das Cellophan einer noch original eingeschweißten Kassette von 1988, um sie zu verwenden? (und öffnet damit auch die Schutzathmosphäre, in der sie fast 30 Jahre versiegelt war?)
Hält die Kassette die Benutzung überhaupt aus oder versagt das Material langsam?
Bekomme ich das Bespielen der Kassette so hin, dass es gleich klappt oder brauche ich mehrere Versuche?
Und das alles unter dem Vorzeichen "es gibt keinen Nachschub mehr"!
Okay, wer sich nicht für die Hifi-Welt interessiert und auch ansonsten nicht allzu sentimental in Bezug auf Sammlerstücke ist mag von diesen Zusammenhängen nicht allzu gerührt sein, wer aber ein Faible für Technik-Geschichte, Hifi, Design und Raritäten hat, kann sich wunderbar in diese herrliche Analog-Welt sinken lassen... ;-)
Er kann sich Gedanken darüber machen, welche Tapes er wie und wofür verwendet, wie er sie lagert, welcher Player am besten mit welchem Tape harmoniert...
Tapes & Design
Sie denken bei Kassetten vor allem an die klassische uni-schwarze Standard-Kassette?
Stimmt, die ist aus ästhetischer Sicht vielleicht nicht sooo interessant...
Aber erinnern Sie sich? Es gab da auch andere!
Hier eine kleine Auswahl an unterschiedlichen Kassetten-Designs in einem Tapedeck, das ihren individuellen Details den passenden Rahmen gibt (das legendäre offene Telefunken MC1 von 1981, das bei seinem Erscheinen) selbst einen Design-Award erhielt):