Urteil zum Thema Praxismarketing
Interessantes Urteil zum Thema Praxismarketing
Hinweis: Dieser Beitrag stammt im Original aus dem Jahr 2011!
Seitdem hat sich gezeigt, dass sich die Werbemöglichkeiten für Heilbehandler tatsächlich deutlich erweitert haben. Ausführliche Websites und auch Aktivität auf Social Media sind heute (Stand 2023) Gang und Gäbe und so lange keine groben Verstöße (Marktschreierei, Falschaussagen, Heilversprechen) stattfinden, ist aktuell kaum noch von Abmahnungen oder Problemen mit den Gesundheitsämtern zu hören.
Hier nun der Original-Beitrag, der inhaltlich auch heute noch relevant ist:
Ärzte, Heilpraktiker und Psychotherapeuten wissen: In medizinischen und therapeutischen Berufen sind die Werbemöglichkeiten teilweise eingeschränkt und man kann nicht mit der Lockerheit und Offenheit wie andere Branchen an Werbekonzepte herangehen, da man immer beachten muss, wo der Gesetzgeber die Grenzen gesetzt hat.
Dennoch hat sich in den letzten Jahren einiges verändert und gelockert.
Viele erinnern sich noch an die Zeiten, als die scheinbar einzige Möglichkeit für einen Heilbehandler "werbend" auf seine Existenz aufmerksam zu machen, in der örtlichen Zeitung Inserate wie "Wir machen Urlaub von... bis...", "Wir suchen eine/n Auszubildende/n" oder "Wir sind aus dem Urlaub zurück" waren. Anzeigen, die so wirkten als dienen sie dazu, Klienten zu gewinnen waren ein gewagtes Spiel...
In den letzten Jahren wurden die Werbeeinschränkungen etwas gelockert. Das Internet kam (wobei auch hier nicht alles was möglich ist auch erlaubt ist), zuerst wurden Werbeannoncen in Form eines "Praxisschildes" (Max Mustermann, Heilpraktiker, Hypnosetherapie) geduldet, dann bürgerte sich langsam ein, dass auch Heilbehandler etwas mehr schreiben konnten (Max Mustermann, Heilpraktiker, Hypnosetherapie, Rauchentwöhnung, Ängste, Zwangsstörungen).
Das Urteil
Am 1. Juni 2011 wurde vom Bundesverfassungsgericht ein Urteil gesprochen, das für Werbetreibende in Heilberufen von großem Interesse sein könnte (1 BvR 233/10 und 1 BvR 235/10).
Ein Zahnarzt wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er im Rahmen einer Werbung für seine Praxis auch für einen eigenen Verlag und ein eigenes Zahnlabor warb (hier wurde eine Vermischung unterschiedlicher Gewerbe vorgeworfen), weil er in einer Werbeanzeige einen Tomograph "in aufdringlicher Weise" (also gut für den Betrachter sichtbar) gezeigt hatte (hier bezog man sich auf das Verbot, Heilbehandler dürfen nicht mit Fotos ihrer Praxen oder mit hochwertiger Praxisausstattung werben) und weil er eine Verlosung für Zahnärztliche Leistungen (Bleaching und Zahnreinigung) im Rahmen einer Ausstellung durchführte.
Kenner der Werbegrenzen für Heilberufe werden jetzt sicher sagen "Klar, man darf keine Bilder von sich in medizinischer Kleidung oder von medizinischen Apparaten in der Werbung zeigen, man darf die Kompetenz, die einer medizinischen Praxis zugerechnet wird nicht für das Bewerben von anderen Projekten missbrauchen und medizinische Behandlungen öffentlich Verlosen ist auch nicht drin - hätte ich ihm gleich sagen können!".
Aber...
Der Zahnarzt legte Berufung ein und der Fall kam vor das Bundesverfassungsgericht.
Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil gegen ihn auf, weil es der Meinung war, Zahnärzte und Ärzte dürften auch gewerbliche Werbemethoden verwenden.
Diese seien nur unzulässig, wenn damit das Gemeinwohl oder das Vertrauen in die Integrität des Arztes gefährdet wird.
Im Fall des betreffenden Zahnarztes sei die Werbung über den Verlag und das Zahnlabor berufsbezogen und sachlich gerechtfertigt gewesen.
Auch die geplante Verlosung zahnärztlicher Leistungen sei vom Prinzip zulässig (da es sich um risikoarme bzw. -freie Behandlungen handelte).
Nicht erlaubt ist laut Verfassungsgericht nur die Verlosung von Behandlungen, die gesundheitliche Risiken bergen.
Nicht zu beanstanden ist laut Verfassungsgericht auch die werbende Hervorhebung der Praxisausstattung.
Dies könne für einen Patienten bei der Praxisauswahl von Bedeutung sein (Achtung! und genau aus diesem Grund war es früher verboten - man wollte nicht, dass besser ausgestattete Praxen mehr Patienten anziehen als schwächer ausgestattete Praxen, um schwächere nicht zu benachteiligen, weil sie den Patienten weniger zu bieten hatten - man wollte, dass der Patient quasi erst beim Besuch der Praxis erfährt, für was er sich entschieden hat).
Bei der Darstellung medizinischer Geräte dürfe nur der Herstellername nicht genannt werden.
Bedeutung dieses Urteils
Dieses Urteil setzt einen klaren Akzent in Bezug auf die Werbemöglichkeiten von Heilberufen.
Wenn das Bundesverfassungsgericht der Meinung ist, Ärzte und Zahnärzte dürfen auch auch gewerbliche Werbemethoden verwenden, Werbung für beruflich zusammengehörige Themen ist sachlich gerechtfertigt, Therapeutische Dienstleistungen können als Werbemittel (bspw. bei einer Verlosung) eingesetzt werden sofern sie kein Risiko in sich bergen und eine optische Hervorhebung der Praxisausstattung ist erlaub, so lange keine Herstellernamen gezeigt werden, dann stellt das einige althergebrachte Beschränkungen in ein neues Licht.
Wenn dieses Urteil für Ärzte und Zahnärzte gilt, wieso sollte das Bundesverfassungsgericht die Sachlage bei Heilpraktikern und Psychotherapeuten dann anders sehen?
Wie weit geht der Begriff "gewerbliche" Werbemethoden?
Sind die Zeiten vorüber, in denen jeder Heilbehandler sofort eine Abmahnung riskiert, wenn er auf seiner Website auch nur ein Foto von sich darstellt, auf dem er lächelt, weil das schon als unlauterer Wettbewerb und beeinflussung des Klienten bei seiner Therapeutenwahl gesehen werden kann? (Achtung - überzogenes Beispiel! :-) )
Auf jeden Fall unterstreicht das Urteil den Trend, dass medizinische / therapeutische Praxen aus der Benachteiligung die sie lange Jahre gegenüber nichtmedizinischen Praxen, Coaches und Beratern hatten (die aufgrund ihrer gewerblichen Tätigkeit nicht den Reglements der medizinischen Werbeverbote unterworfen waren) heraus kommen.
Ein sehr zeitgemäßes und lebensnahes Urteil, wie wir finden, denn letzten Endes ist auch eine medizinische Praxis ein Unternehmen, das sich nicht auf den Zufall verlassen kann und darf, dass ein Klient über es stolpert, sondern das auch aktiv etwas für seine Existenz und seinen Erfolg tun dürfen muss.
Selbstverständlich in einem verantwortungsbewussten Rahmen und selbstverständlich ohne marktschreierisch oder gar unseriös zu werden, aber dennoch so, dass es sich nicht mehr verstecken und evtl. Vorteile, die einem Patienten gefallen und für seine Entscheidung bei der Wahl einer geeigneten Praxis beeinflussen könnten verschweigen muss, um anderen, die eine vergleichbare Leistung nicht erbringen und für die der Patient sich eher nicht entscheiden würde, wenn er wüsste, wie die wahren Sachverhalte sind ja nicht zu benachteiligen...
Denn was ist sinnvoller: Schwachen und schlecht ausgestatteten Praxen Klienten zuzuschieben indem man vergleiche verhindert und die stärkeren Praxen zwingt, sich zu verstecken - oder dem Klienten eine Möglichkeit zu geben, eine Praxis zu wählen, die tatsächlich seinen Vorstellungen entspricht (und damit die schwachen Praxen zu motivieren, etwas dafür zu tun, "im Rennen zu bleiben", was letzten Endes zu einer Qualitätssteigerung in der Branche schon allein aus der Motivation, nicht den Anschluss zu verlieren führen wird)?
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